Es stand von Anfang an fest, dass der Krimi in der Musikwelt spielen sollte. Ich bin mit Musik aufgewachsen, lange in dem Geschäft tätig und weiß genau, wie vieles in der Musikwelt funktioniert. Was denkbar und was realistisch ist. Kurz gesagt, es ist einfacher, das Milieu zu beschreiben, in dem man sich wirklich gut auskennt. Und noch unterhaltsamer fand ich die Möglichkeit, auf zwei Zeitebenen zu schreiben.
Ich fand, dass eine Geige, deren Versicherungswert bei 30 Millionen Euro liegt, die nicht berührt werden darf und deren Authentizität im Stillen immer noch angezweifelt wird, ein guter Aufhänger für einen Kriminalroman ist. Dabei ging es mir nicht darum, mich in der Geschichte Pro oder Kontra „Messias“ einzusetzen, sondern eine dritte, ganz neue Möglichkeit zu erfinden. So kam ich auf die Idee mit dem Zwilling der „Messias“, genannt „Bocciolo di Rosa“ (Rosenknospe) – noch schöner, aber über Jahrhunderte völlig unbekannt geblieben. Während sich die Informationen über die „Messias“, die berühmteste und wertvollste Geige der Welt, auf historische Tatsachen stützen, ist die „Rosenknospe“ und ihr Weg von 1716 bis zum heutigen Tag das Ergebnis meiner Fantasie. Dieses Instrument ist im Roman noch wertvoller als die „Messias“, weil Stradivari ihren Namen ausnahmsweise selbst erfindet und per Hand neben die selbstgemalte Rose auf den Geigenzettel schreibt. So hat sich die Wahl des Schauplatzes praktisch von selbst ergeben. Schließlich geht es um Antonio Stradivari und seine zwei Violinen. Die Geschichte konnte für mich also nur in Italien spielen – dem bis heute unbestritten bedeutendsten Land der Violinenbauer. Ein Familiendrama wie in „Tödliche Sonate“ könnte sich natürlich überall auf der Welt ereignen.
Als Konzertgeigerin habe ich oft alte – sehr alte – Instrumente in Händen. Dann frage ich mich: Wo und bei wem war diese antike Violine, bevor sie in meine Hände kam? Wo waren die Instrumente vor hundert, zweihundert oder dreihundert Jahren, wer hat sie gespielt? Ich fantasiere gern über das Leben der Geigenbauer, über ihre Arbeit und ihre Zeit. Wie wäre es zum Beispiel, Jean-Baptiste Vuillaume kennenzulernen und ihm beim Arbeiten über die Schulter zu schauen? Oder sich in Antonio Stradivaris mystischer Werkstatt umsehen zu dürfen? Mit Giuseppe Guarneri del Gesù ein paar Worte auszutauschen, während er seiner legendären Violine „Il Cannone“ den letzten Schliff gibt?
Eines Tages beschloss ich, einige von diesen außerordentlichen Persönlichkeiten im Roman lebendig zu machen. Es war spannend und nicht einfach, sich in einer Zeit zu bewegen, die man nur aus Büchern oder Erzählungen kennt. Die Tatsachen mit Fantasie zu vermischen, war am Ende ein großartiges Abenteuer. Alle Personen aus der Vergangenheit wie Antonio, Francesco, Omobono, Paolo und Cesare Stradivari, Jean-Baptiste Vuillaume, Camillo Sivori und Francesco Sfilio, denen der Leser in diesem Roman direkt begegnet, sowie der Graf Cozio di Salabue und Luigi Tarisio, die nur erwähnt werden, haben zu den angegebenen Zeiten gelebt. Einzig in der letzten Szene mit Francesco Sfilio habe ich dem „Messias“-Zwilling zuliebe die Karriere um einige Jahre verlängert. In Wirklichkeit war dieser hervorragende Geiger im Jahr 1910 bereits erblindet und hatte seine Konzerttätigkeit aufgegeben. Die anderen Figuren habe ich frei erfunden, wobei ich mich ab und zu auch von realen Personen inspirieren ließ. Der Commissario Di Bernardo zum Beispiel ist meinem süditalienischen Adoptivvater sehr ähnlich – er liebt genauso Krawatten und gutes Essen. Die Geschichte konnte kaum auf eine Geigerin verzichten. Und ich kann nicht leugnen, mich ein wenig mit Arabella Giordano zu identifizieren. Die Konzertagentin Cornelia Giordano hat zwar reale Züge, ist aber als Person zum großen Teil meiner Fantasie entsprungen.
Bei der Erzählperspektive herrscht die Sicht des Commissario Di Bernado vor. Aber ich habe mich dafür entschieden, auch die des Mörders in kurzen Sequenzen immer wieder durchblicken zu lassen, um seine brutalen Gedanken und Taten zu beschreiben. Und natürlich erzähle ich die Geschichte der „Rosenknospe“, in einer weiteren Perspektive, auf einer zweiten Zeitebene.
Inspiriert wurde ich beim Schreiben auch von meinem geliebten Geigenmodell: eine herrliche J. B. Vuillaume aus dem Jahr 1870, eine präzise Kopie der „Messias“, die zur Privatkollektion meines Lebensgefährten Manrico Padovani und mir gehört. Vor allem an den Stellen, wo ich Konzerte oder Tagträume mit Geige in der Hand beschreibe, war es ein großartiges Gefühl, mit ihr in die musizierenden Figuren einzutauchen – ob im achtzehnten Jahrhundert oder heute!
Gespielt werden in „Tödliche Sonate“ wunderbare Stücke, die – abgesehen von der Klaviersonate von Beethoven – auch Teil meiner Konzertprogramme sind. Besonders das virtuose Stück „Die letzte Rose des Sommers“ von H.W. Ernst, das er A. Bazzini gewidmet hat, ist prägend für die Geschichte um die „Bocciolo di Rosa“:
Arvo Pärt: „Tabula Rasa“ für 2 Violinen, Streichorchester und präpariertes Klavier
César Franck: Sonata für Violine und Klavier A-Dur
George Gershwin – Jascha Heifetz: „Summertime“ aus der Opera „Porgy and Bess“
Ludwig van Beethoven: Violinromanze Nr. 2 in F (Op.50)
Ludwig van Beethoven: Klaviersonate Nr. 8, Op. 13, „Pathétique” (Adagio cantabile)
Niccolò Paganini: „I Palpiti“
Johann Sebastian Bach: Giga aus der Partita Nr. 3 für Violine solo
Johann Sebastian Bach: Chaconne aus der Partita Nr. 2 für Violine solo
Johann Sebastian Bach: Sarabande aus der Partita Nr. 2 D-Moll für Violine solo, BWV 1004
Camillo Sivori: Fantasie über „Il Trovatore“ (Giuseppe Verdi)
Arcangelo Corelli: La Follia
Eugene Ysaye: L’Aurore aus der Sonate für Violine solo G-Dur Op. 27 Nr. 5
Heinrich Wilhelm Ernst: Die letzte Rose des Sommers